Lassen Sie den Alltag hinter sich!



NETZ*ROMANE

e-Book Version






Leseprobe

Walter Weil

Rebellenblut


Der Lärm, den die Priesterchöre im Wettstreit mit den donnernden Heilrufen der deutschen Ritter in der Peterskirche verursacht hatten, war bis in die Stadt am Tiber zu hören gewesen. Das nichtswürdige Getöse hatte die Bürger Roms, die man so schlau zu täuschen gedachte, aufmerksam gemacht! Kaum eine Stunde später rottete sich eine schnell wachsende Anzahl von ihnen in der Stadt zusammen. Schreckliche Botschaften eilten von Mund zu Mund: Papst und Kaiser hätten einen Bund gegen die Bevölkerung Roms geschlossen; das Heer der Deutschen stünde bereits vor den Toren der Stadt, bereit, einzufallen und ihre Bürger niederzumetzeln; Arnold von Brescia sei von Schergen des Papstes ermordet worden; protestierenden Vertretern der Stadt habe Friedrich auf Drängen Hadrians die Augen ausstechen lassen, und so wie ihnen würde es jedem römischen Bürger ergehen, der sich dem barbarischen Kaiser entgegenstelle; der blutige Verrat am römischen Volk aber sei das Werk des unheiligen Mannes auf dem Papstthron...

Solche wilden Gerüchte verbreiteten sich wie ein vom Wind gepeitschter Flächenbrand und heizten die Stimmung innerhalb Roms bis zum Siedepunkt auf. Jedermann hatte sich bewaffnet, immer mehr Menschen strömten schreiend und johlend herbei, alle grimmig entschlossen, ihre Bürgerrechte gegen Papst und Kaiser zu verteidigen. Unter dem Druck der Nachdrängenden stürmten die vordersten Scharen schließlich über die Tiberbrücke zum Petersplatz, gefolgt von weiteren tobenden, mordgierigen und die Waffen schwingenden Haufen. Sie zertrümmerten das Haupttor der Leostadt, schlugen die Wachen nieder und ergossen sich auf den Platz. Die Anführer zeigten auf die Basilika und die Gemächer des Papstes und lenkten die brüllenden Massen dorthin.

Die vermeintlich raffinierte Täuschung der Bewohner Roms war aufgeflogen, und den Erfindern des falschen Spieles war auch noch ein fataler Fehler unterlaufen! Sie hatten die ebenso geheime wie taktisch richtige Besetzung der Leostadt zu früh aufgehoben. Längst waren die mit deren Schutz betrauten Krieger wieder abgezogen. Zu früh, wie sich nun zeigte.

Während des so plötzlich hereinbrechenden Aufstandes saß Friedrich mit seinen Getreuen unter freiem Himmel im Lager, um mit einem soeben begonnenen Festmahl den Krönungstag zu beschließen. Da trafen zwei Boten ein, abgesandt von Kardinal Roland, und berichteten dem Kaiser von dem schrecklichen Geschehen. Als Friedrich die Nachricht vernommen, erhob er sich von der Tafel und winkte die Fürsten zu sich. Ein fast vergnügter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

Ihr Herren, Gott hat uns eine willkommene Gelegenheit gesandt, dem Papst zu beweisen, daß er uns braucht! Rüstet euch mit Helm und Harnisch und ruft eure Mannen zusammen! Der heilige Vater scheint sich in akuter Not zu befinden. Wir können ihm jetzt deutlich vor Augen führen, wie wertvoll es für ihn ist, uns als Bündnispartner zu haben!“

Als wollten sie seine Worte bestätigen, schlug das Geschrei der Aufständischen aus der Ferne an das Ohr der Deutschen, die sich in aller Eile rüsteten, um zur Leostadt aufzubrechen. Ortwin und Reinold wurden durch den Befehl mitten in ihrem kargen Mahl gestört, das sie nun hastig hinunterschlangen, um sich danach ebenso eilig gegenseitig in den Harnisch zu helfen. Den Helm festgebunden, mit dem Schwert gegürtet, und den Schild in der Linken, rannten sie zu jener sächsischen Ritterschar, der sie zugeteilt waren.

Herzog Heinrich der Löwe setzte sich an die Spitze und fort ging es im Dauerlauf zur Leostadt. Dort angelangt, stiegen sie in breiter Front über die Mauern der päpstlichen Stadt. Sie verteilten sich, um durch die Gärten und an verschiedenen Gebäuden vorbei zu dem Platz vor der Basilika vorzudringen. An der Spitze lief der Sachsenherzog mit gezogener Klinge. Ihn behielt Ortwin im Auge. Ihm folgte er, und was jener tat, machte er ihm nach, also riß auch er sein Schwert aus der Scheide und packte den Schild fester.